Seltener Besuch bei der Stadtverwaltung

Dominik Theiler (links) und Kay Hennig-Kruse auf der Walz[06.07.09] Vor ein paar Tagen klopfte es an die Tür des Vorzimmer des Bürgermeisters und herein traten zwei junge Männer in schwarzer Kluft, Schlapphut und Wanderstab. Der "Charlottenburger", ein buntes Stoffbündel, über ihre Schulter hängend. Der eine stampft seinen Wanderstab auf den Boden und sagt seinen traditionellen Spruch auf. Die typische Kleidung verrät, es handelt sich um Zimmermänner auf Wanderschaft.

Damit halten die jungen Leute aus freien Stücken ein Erbe lebendig, das auf das 13. Jahrhundert zurückgeht. Die Kleidung der reisenden Gesellen entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und soll vor allem zweckmäßig sein. Der Schlapphut hält herabfallenden Holzspäne fern, die weit ausgestellten Cordhosen schützen die trittfesten Schuhe vor arbeitsbedingtem Schmutz. Die Kluft hat aber auch einen psychologischen Effekt: Wer sie trägt, wird meist als ehrbarer Geselle wahrgenommen.

Dominik Theiler (26) ist einer der jungen Männer und kommt ursprünglich aus Frauenfeld in der Schweiz, hat Tischler gelernt und ist seit 3 Jahren und 1 Tag auf der Walz, erzählt er. Dadurch habe er schon die halbe Welt bereist. In Syrien, Jordanien und Israel war er gewesen und vor einigen Jahren auch schon einmal in Kanada, erzählt er weiter. Als Zimmermann gehe er dann zu den lokalen Tischlern und Baustellen und fragt nach Arbeit. Gerade kommt er zusammen mit seinem Kameraden aus Cottbus. Kay Hennig-Kruse (20) hat in Kiel seine Gesellenprüfung abgelegt und ist erst seit zwei Wochen auf Wanderschaft und froh einen erfahrenen Kameraden an seiner Seite zu haben.

Auf die Frage, "Warum macht ihr das?" antworten sie: "Wir wollen eine alte Sitte erhalten. Sie soll lebendig bleiben, damit andere Gesellen davon später profitieren. Auf der Walz zu sein ist eine gute Lebensschule, man trifft viele interessante Leute und erweitert seinen beruflichen Horizont, denn jede Firma arbeitet anders. Im Süden z. B. baut man die Häuser ganz anders als im Norden wegen der Schneelast im Winter. Abenteuerlust spielt aber auch eine Rolle."
Beide führen ein Wanderbuch mit sich, in dem ihre persönlichen Daten stehen und in das sich all diejenigen eintragen, die die Gesellen auf ihrer Wanderschaft unterstützt haben.

Bürgermeister Axel Müller stempelte ihr Büchlein mit dem Dienstsiegel der Stadt und setzte Datum und Unterschrift darunter. Anschließend überreichte er den beiden Jung-Handwerkern einen kleinen "Reiseobolus" und wünschte ihnen alles Gute für ihren weiteren Weg.